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CASE 1 bis 6 - Die frühen CASE-Projekte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)

Beitrag zum Projekt:

Im Jahr 1992 begann die BGR, die in der Antarktis bewährte Kombination von marinen und terrestrischen Arbeiten auch auf die Arktis zu übertragen. Marine Vorarbeiten hatte es in der Arktis schon länger gegeben, z.B. Messfahrten in die Labrador-See, auf den Barents-Schelf und den ostgrönländischen Schelf. Es lag daher nahe, die marinen Arbeiten auch im Norden durch begleitende Landuntersuchungen zu ergänzen. Als praktischer Gesichtspunkt kam hinzu, dass man die für die Antarktis aufgebaute Logistik und die polaren Geländeerfahrungen nutzen konnte.

Situation vor 50 Millionen Jahren: plattentektonische Situation im Bereich der heutigen Nares StraitSituation vor 50 Millionen Jahren: plattentektonische Situation im Bereich der heutigen Nares Strait Quelle: BGR

Als überregionaler Arbeitsschwerpunkt wurde die Geodynamik der Randbereiche des Arktischen Ozeans gewählt (CASE: Cirum-Arctic Structural Events). Neben der Strukturgeologie sind die petrographisch-geochemische Analyse der arktischen Vulkanitprovinzen und die aeromagnetische Aufnahme der eis- oder wasserbedeckten Gebiete weitere Arbeitsschwerpunkte.

Damit werden die unzugänglichsten und schwierigsten Räume der Arktis, die eisbedeckten Schelfgebiete, mit erfasst. Die Aeromagnetik vom Hubschrauber oder Flugzeug aus kann über Eis und Wasser in gleicher Weise wie über Land messen und die marinen und terrestrischen Arbeiten hervorragend verknüpfen. Aeromagnetische Messungen wurden bisher über der Lincoln-See (PMAP-CASE 1997, 1998) und dem nordgrönländischen Schelf (NOGRAM 1998) in Zusammenarbeit mit kanadischen Institutionen und dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) durchgeführt. Die Daten werden zur Zeit interpretiert.

Alle CASE-Projekte werden in Zusammenarbeit mit deutschen Universitätsinstituten (Erlangen, Münster) durchgeführt.

CASE 1 und 2

Die ersten Forschungsobjekte im Rahmen von CASE waren die schwierig zu deutenden tertiären Faltengebirge auf Spitzbergen und Nordgrönland. Die Bildung dieser Kompressionsstrukturen erfolgte paradoxerweise gleichzeitig mit der Extension bei der Öffnung des benachbarten Arktischen Ozeans.

Die erste Land-Expedition (CASE 1) wurde im Jahr 1992 in Spitzbergen durchgeführt. Bei den huschrauberunterstützten Geländearbeiten wurden die Erfahrungen verschiedener deutscher und ausländischer Universitätsinstitute herangezogen, um den gut aufgeschlossenen, aber schwierig zu erreichenden Westspitzbergen-Faltengürtel in seiner Gesamtheit zu analysieren. Es schloß sich 1994 eine Expedition (CASE 2) in den korrespondieren Teil von Nordgrönland (Peary Land ) an.

Die beiden ersten CASE-Projekte hatten folgende Ergebnisse:

Der Westspitzbergen-Faltengürtel besitzt einen vergleichbaren tektonischen Stil wie der Faltengürtel in Nordgrönland. Es war bereits bekannt, dass Grönland und Spitzbergen durch eine große Blattverschiebung um mindestens 300 km voneinander getrennt worden sind. Die Untersuchungen konnten aber eindeutig zeigen, dass die kompressiven Deformationsstrukturen nicht auf die Blattverschiebung zurückgeführt werden können. Die beiden Teile des Faltengürtels wurden mit einer einheitlichen, nordgerichteten tektonischen Transportrichtung angelegt und anschliessend durch die Blattverschiebung getrennt. Der Faltengürtel stellt aber kein klassisches Kollisions- oder Subduktions-Orogen an einer Plattengrenze dar, denn es fehlen Metamorphose, syntektonischer Magmatismus und Relikte ozeanischer Kruste. Die stark ausgeprägten kompressiven Strukturen müssen innerhalb eines Kontinents entstanden sein.

Unklar waren nach diesen Arbeiten im wesentlichen noch das genaue Alter der Deformation und die Ursache der Kompression. Durch den Mangel an marinen Fossilien im Faltengürtel war nur eine sehr unpräzise biostratigraphische Alterseinstufung möglich und durch die fehlende Metamorphose ist auch die Isotopendatierung hier nicht anwendbar. Somit lässt sich das geodynamische Geschehen an Land bisher nicht gut mit den Ereignissen bei der Bildung der arktischen Ozeanbecken korrelieren. Da die Blattverschiebung als Ursache der Kompression im Faltengürtel ausgeschlossen werden konnte, bleibt die Frage nach dem "Motor" der Verkürzung weiter offen.

CASE 4 bis 6

Deshalb wurden die Arbeiten auf die kanadische Arktis ausgedehnt, wo es relevante Tertiärablagerungen mit kompressiven Deformationsstrukturen in größerer Verbreitung gibt (Eurekan-Faltengürtel). Die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit dem Geologischen Dienst von Kanada, Calgary, ergab sich dadurch, dass der Survey Kartierungsarbeiten auf Ellesmere Island durchführen wollte, eines der wenigen Gebiete in Kanada, wo es noch überhaupt keine geologische Karte gibt. Durch die Koordination der unterschiedlichen Interessen ließ sich eine gemeinsame Logistik nutzen. Ein dreijähriges Kooperationsprojekt umfasste die Expeditionen CASE 4 1998, CASE 5 1999 und CASE 6 2000. Das Arbeitsgebiet lag direkt an der Nares-Meeresstraße, die plattentektonisch durch eine ähnliche Transformstörung gebildet sein sollte wie die Seitenverschiebung zwischen Spitzbergen und Grönland. Das Gebiet war daher ideal zur Klärung der Zusammenhänge zwischen Seitenverschiebungen und Kompression, die schon in Spitzbergen das zentrale Problem darstellten.

Grönland wurde während des Tertiärs von zwei mittelozeanischen Spreizungssystemen begrenzt, die zwischen 55 und 35 Mio. Jahren vor heute gleichzeitig aktiv waren (Abb. 1). Eine solche plattentektonische Konfiguration ist außergewöhnlich. Aus Analysen der Vorgänge in der Labradorsee wusste man, dass die grönländische Platte zwei unterschiedlich gerichtete Bewegungen durchführte: zuerst nach Nordosten, als nur das System zwischen Kanada und Grönland aktiv war, dann mit der zusätzlichen Anlage des mittelozeanischen Rückens zwischen Grönland und Norwegen nach Norden. Auf das Gebiet der Nares-Straße übertragen bedeutet das: zuerst Seitenverschiebung, dann Kompression des Faltengürtels.

Diese Situation galt es im Gelände zu überprüfen. Während CASE 4 konzentrierten sich die Arbeiten auf den kompressiven Eurekan-Faltengürtel und seine süd- und ostgerichteten Überschiebungen auf das Vorland . Bei CASE 5 und 6 wurden mehrere parallele Blattverschiebungen an der Nares-Straße gefunden und detailliert untersucht. Die maximalen Verschiebungsbeträge an einzelnen Störungen parallel zur Nares-Straße liegen in der Größenordnung von 20 km. Das gesamte System mag eine kumulative sinistrale Bewegung von vielleicht 100 km umfassen. Allerdings ist es möglich, dass eine Hauptstörung unter dem Wasser der heutigen Nares-Straße verborgen ist. Es stellte sich heraus, dass in der Tat eine Folge von 1) Blattverschiebungen, gefolgt von 2) kompressiven Strukturen, existierte und dass die Bewegung einheitlich sinistral war. Damit wird der Zusammenhang mit den aus den Daten der Labrador-See abgeleiteten Vorgängen hergestellt. Die Ursache für beide Phänomene, die großen Blattverschiebungen und den Eureka-Faltengürtel, sind zu jeweils unterschiedlichen Zeiten die Bewegungen der grönländischen Platte. Diese wiederum werden bedingt durch die Spreizungsvorgänge an den beiden ozeanischen Rückensystemen. Die Blattverschiebung zwischen Grönland und Spitzbergen wurde dagegen erst nach der Aktivierung des atlantischen Spreizungssystems angelegt, als sich die Spreizung bis in den Arktischen Ozean erstreckte. Daher ist die Kompression in diesem Abschnitt älter als die Trennung durch die Blattverschiebung.

Durch die Arbeiten im Projekt CASE in Spitzbergen, Grönland und Kanada wurden zum ersten Mal alle Abschnitte des tertiären Faltengürtels überdeckt und im Zusammenhang untersucht. Dabei ist es, wie dargelegt, gelungen, eine Erklärung für das platteninterne Kompressionssystem zu finden. Somit haben die Arbeiten insgesamt zum besseren Verständnis der geodynamischen Vorgänge in diesem Teil der Arktis beigetragen.

CASE 3

Seit Beginn der Arktisaktivitäten war es das Ziel der BGR, die Zusammenarbeit mit den Anrainerstaaten auch auf Russland auszudehnen. Erstes Zielgebiet waren die Neusibirischen Inseln in der Laptev-See, wo der mittelozeanische Rücken aus dem Eurasischen Becken das asiatische Festland erreicht. Ähnlich wie in Spitzbergen, Grönland und Kanada sollten Landarbeiten auf den Inseln unterstützende Informationen zu den marinen Arbeiten der BGR in der Laptev-See liefern, die seit 1993 in Zusammenarbeit mit dem Institut SEVMORNEFTEGEOFISIKA, Murmansk, durchgeführt wurden. Die immer schwieriger werdenden logistischen Verhältnisse verhinderten jedoch die Durchführung der Landarbeiten trotz guter Kontakte zur Akademie der Wissenschaften in Yakutsk, wo gleichfalls Interesse an der Bearbeitung der Inseln bestand. So wurde schließlich alternativ weiter im Süden das Gebiet des Moma-Rifts östlich von Lena und Verchojansk-Gebirge untersucht. Im Sommer 1998 arbeiteten insgesamt 15 deutsche und russische Wissenschaftler in diesem Projekt CASE 3. Ungünstiges Wetter und Probleme mit der Logistik behinderten die Arbeiten. Dennoch gelang es, Ergebnisse zur Beziehung des Moma-Rifts zum Riftsystem in der Laptev-See zu gewinnen.

Literatur:

F. Tessensohn (ed.): Intra-Continental Fold Belts, CASE 1: West Spitsbergen. - Geologisches Jahrbuch B91 (2001).

CASE 2: Beiträge in der Zeitschrift "Polarforschung“ 68 (1998) und 69 (1999)

CASE 3: Paech, H.-J., Prokopiev, A.V., Gosen, W.v., Grinenko, O.V., Smetannikova, L.I. & Belolyubskij, I.N. (1998): New results of the Moma Rift System and coeval structures in Yakutia, Russian Federation.

Kontakt:

    
Dr. Karsten Piepjohn
Tel.: +49 (0)511-643-3236
Fax: +49 (0)511-643-3664

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